Beirat Sport: LPO 2024 verabschiedet – Turniersport-Regelwerk ab 2024 mit vielen Neuerungen
Warendorf (fn-press). Mit mehr als einem Jahr Vorlauf hat der Beirat Sport der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) kurz vor Weihnachten die Leistungs-Prüfungs-Ordnung 2024 auf den Weg gebracht. Die neue LPO tritt in gut einem Jahr am 1. Januar 2024 in Kraft und steht im Zeichen von mehr Flexibilität.
Über zwei Jahre lang hat die Überarbeitung des nationalen Turniersport-Regelwerks gedauert, daran beteiligt waren die Disziplin-Ausschüsse des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei (DOKR), Vertreter der Landespferdesportverbände sowie der Deutschen Richtervereinigung und weitere Experten zu den verschiedenen Themen Insgesamt weit über 200 Anträge und Verbesserungsvorschläge wurden eingebracht und geprüft, eine weitere Diskussionsgrundlage waren die Ergebnisse der großen Turniersportumfrage 2022.
Hier einige der wichtigsten Neuerungen:
Mit der neuen LPO 2024 gehören „offene“ und „geschlossene“ Prüfungen der Vergangenheit an. Ab 2024 wird das Kind beim Namen genannt: Prüfungen, die sich ausschließlich an Amateurreiterinnen und –reiter wenden (ehemals Option A), heißen dann Amateur-Prüfungen. Diese sollen weiterhin einen Anteil von mindestens 20 Prozent an den Gesamtprüfungen eines Turnieres ausmachen. Amateure dürfen sich zukünftig auch in der Klasse S*** probieren: Nicht der Start in dieser Klasse führt zur Aberkennung des Amateurstatus im Folgejahr, sondern erst mehr als eine Platzierung auf diesem Niveau.
Unter den Aspekt Tierwohl fällt die nähere Definition der Pferdekontrollen, aber auch des unsportlichen Verhaltens, das zwar seit vielen Jahren in den Regelwerken verankert ist, aber in der neuen LPO genauer beschrieben wird: Als unsportliches Verhalten ist insbesondere die unangemessene, grobe und/oder aggressive Einwirkung eines Reiters oder einer Reiterin auf ein Pferd zu sehen, zum Beispiel beim Einsatz von Ausrüstungsgegenständen oder Hilfsmitteln wie Gerte, Sporen oder Zügel, insbesondere auch bei Abwehrverhalten beziehungsweise nach Ungehorsam des Pferdes. Dies gilt natürlich auch in Fahren und Voltigieren für den Einsatz von Peitschen, Longen oder Leinen. Im Springen führt ab 2024 bereits der zweite Ungehorsam des Pferdes zum Ausschluss. Im Einvernehmen mit dem Veranstalter kann der Reiter jedoch in aller Ruhe eine Korrekturrunde außerhalb der Wertung vornehmen, um das Turnier mit einem positiven Eindruck abzuschließen.
Mehr Tierwohl hat auch die Neuregelung im Sinn, die tragenden Stuten ab dem vierten Trächtigkeitsmonat oder mit Fohlen bei Fuß die Teilnahme am Turnier untersagt. Explizit verboten wird auch der Einsatz von sogenanntem „Fakeschaum“, der eine gute Kautätigkeit des Pferdemaules vorspiegeln soll, ebenso wie von Sporen mit Zacken im Springen. Generell dürfen Sporen im Springen künftig nicht mehr als vier Zentimeter lang sein.
Die LPO 2024 schränkt außerdem den Einsatz von jungen Pferden auf Turnieren weiter ein. Dreijährige Pferde dürfen weiterhin frühestens ab 1. Mai auf Turnieren vorgestellt werden, jedoch während des gesamten Jahres an maximal fünf Prüfungen teilnehmen. Dressurpferdeprüfungen der Klasse L sind für vierjährige Pferde nicht mehr zugelassen. Hier dürfen ab 2024 nur noch fünf- bis siebenjährige Pferde teilnehmen. Letztere allerdings nur sofern sie nicht mehr als einen Erfolg als Sechsjährige zu verzeichnen hatten. Bei Spring- und Geländepferden wurden diese Einschränkungen gestrichen.
Neuerungen gibt es auch beim Thema Siegerehrung. Wie aus der Umfrage hervorging, ist die Teilnahme eine Ehre und den Turnierreitern sehr wichtig. Der Beirat Sport hat sich daher dafür ausgesprochen, die Teilnahme für die ersten sechs Platzierten weiterhin zur Pflicht zu machen. Und wie bisher können Veranstalter den Ablauf der Siegerehrung selbst bestimmen. Neu ist jedoch, dass der Veranstalter den Ablauf der Siegerehrungen auch während des laufenden Turniers ändern, also beispielsweise je nach Wetterlage kurzfristig entscheiden kann, ob diese mit oder ohne Pferd stattfinden soll. Soll ein einzelnes Pferd aus sicherheitsrelevanten Gründen nicht an der Siegerehrung teilnehmen, muss der Teilnehmer bei der zuständigen Richtergruppe dafür einen Dispens einholen, andernfalls droht weiterhin die Aberkennung der Platzierung.
Springen: Nachbarländer als Vorbild
Unter der Überschrift „mehr Flexibilität“ stehen auch die Neuerungen im Springen. Mit Blick auf die beliebten Turnierveranstaltungen in den Niederlanden und Österreich sollen auch in Deutschland künftig Korrekturrunden, also die Wiederholung einzelner Sprünge, des gesamten Parcours oder von Parcoursteilen, aber auch das Starten außer Konkurrenz leichter und unkomplizierter möglich sein. Starts außer Konkurrenz sind dann grundsätzlich für alle Reiter mit aktueller Jahresturnierlizenz möglich. Ob und in welchem Umfang solche Starts und Korrekturrunden durchgeführt werden können und wieviel sie kosten, entscheidet die Meldestelle im Auftrag des Veranstalters – eine Vorabnennung ist nicht mehr erforderlich.
„Darüber hinaus stellen wir den Veranstaltern frei, im Parcours einen Probesprung vor dem Durchreiten der Startlinie zu ermöglichen“, erklärt Fritz Otto-Erley, der als eine seiner letzten Amtshandlungen als Leiter der Abteilung Turniersport die Überarbeitung der LPO verantwortet hat. „Dies soll gerade noch weniger erfahrenen Reitern und Pferden den Einstieg in den Sport oder die Akklimatisierung auf dem Prüfungsplatz erleichtern.” Eine weitere Maßnahme in dieser Richtung ist die geführte Parcoursbegehung durch den Parcourschef oder einen erfahrenen Reiter oder Trainer. Sie kann auch für Geländeprüfungen angeboten werden. „Viele Reiter kommen ohne Ausbilder aufs Turnier. Ihnen soll die fachmännische Erläuterung des Kurses die Aufgabe erleichtern“, so Otto-Erley.
Eine weitere Hilfestellung für den Turniereinstieg junger Pferde bietet die Gewöhnungsspringprüfung für vier- bis sechsjährige Pferde. Sie bietet Reitern aller Leistungsklassen die Chance, ihre Nachwuchspferde über Hindernisse geringer Abmessung (etwa E-Niveau bzw. 85 cm) an die Turnieratmosphäre zu gewöhnen. Die Bewertung nach dem „Clear-Round-Modus“ trägt dazu bei, den Druck gering zu halten: Jedes Pferd, das die Aufgabe fehlerfrei gemeistert hat, landet automatisch auf Platz eins.
Dieser Clear-Round-Modus gilt natürlich auch für spezielle Clear-Round-Springen, die von Klasse E bis M* in die LPO aufgenommen wurden. Ein alternatives Bewertungsverfahren kann für die Springpferdeprüfungen gewählt werden. Hier gibt es zunächst Wertnoten, nach denen das beste Viertel rangiert wird. Auf dem nächsten Platz dahinter landen gleichzeitig alle Pferde, die den Parcours zwar fehlerfrei absolviert haben, jedoch stilistisch nicht gut genug für das beste Viertel waren. Ebenfalls neu ist die eine Springprüfung analog Springpferdeprüfung, eine Springprüfung für ältere Pferde ab sieben Jahren, die jedoch wie eine Springpferdeprüfung gewertet wird. „Diese Prüfungsform ist beispielsweise für ‚späte‘ Pferde interessant oder für Stuten, die zunächst im Zuchteinsatz sind und dann erst in den Sport einsteigen“, sagt Otto-Erley.
Die LPO 2024 wurde aber auch entschlackt. So sind selten ausgeschriebene Spezialspringprüfungen wie die Jagd um Punkte, das Zwei-Pferde-Springen oder das Mächtigkeitsspringen in der überarbeiteten Fassung nicht mehr zu finden.
Und noch eine Neuerung gibt es in der LPO 2024, die viele Reiter und Reiterinnen freuen wird: In der Bezeichnung der Springen wird – wie im internationalen Sport – die Höhe in Zentimetern angegeben. Damit wird den Teilnehmern noch deutlicher, was sie erwartet: ein A*-Springen mit einer Hindernishöhe von 90 oder 95 Zentimetern oder ein M*-Springen mit 120 oder 125 Zentimeter hohen Sprüngen. Die Höhenstufen werden dabei in Fünferschritten angegeben.
Dressur: Dressurreiter- und Dressurpferdeprüfung Klasse S kommt
Neu in der LPO 2024 ist eine Dressurreiterprüfung Klasse S, mit der unter anderem auch die Kandarenreife eines Reiters überprüft werden soll. Ferner vorgesehen ist eine Dressurpferdeprüfung der Klasse S. Ob es hier eine Wahlfreiheit zwischen Kandare und Trense geben soll, ist noch nicht entscheiden. Das komplette Thema wurde auf die FN-Tagungen im Mai 2023 verschoben.
Neu in der Dressur ist außerdem das gemischte Richtverfahren. Dieses ist bekannt von und vorgeschrieben für Children-Dressuraufgaben der FEI und ab 2024 auch zugelassen für Dressurreiterprüfungen Klasse L, M und S sowie für eine neue Prüfung, die Dressurpferdeprüfung Klasse S. Hierbei vergibt ein Richter (bei C) „technische Noten“ für die Einzellektionen, ein weiterer Richter oder eine Richtergruppe beurteilt die Prüfung wie eine Dressurreiterprüfung mit einer Gesamtnote am Ende, die dann in Prozente umgerechnet wird. Die Prozentpunkte des Richters bei C und der Richtergruppe/ des Richters werden addiert und durch zwei geteilt.
Vielseitigkeit: Die „GVL“ ist Geschichte
Mit der LPO 2024 gibt es die „Große Vielseitigkeitsprüfung“ auch im nationalen Regelwerk nicht mehr. Mit dem Beschluss der FEI im Jahr 2002, ab 2004 Vielseitigkeits-Championate nur noch als „Kurzprüfungen“, also ohne Rennbahn und Wegestrecken, auszurichten, verschwand diese traditionelle Prüfungsform nahezu schlagartig aus dem Terminkalender und wurde auch national in Deutschland nicht mehr angeboten. Dass sie nun auch keinen Platz mehr in der künftigen LPO findet, war eigentlich reine Formsache.
Neu in der LPO 2024 ist dagegen die Unterscheidung in L*- und L**-Vielseitigkeitsprüfungen sowie die Geländepferdeprüfung Klasse E. Analog zum Springen soll sie Reitern aller Leistungsklassen die Gelegenheit geben, ihre vier- bis sechsjährigen Youngster an die Aufgaben im Gelände heranzuführen. Der erfahrenere Buschnachwuchs darf zukünftig auch mit mehrfachen Erfolgen aus dem Vorjahr weiter in Geländepferdeprüfungen an den Start gehen, da das entsprechende Handicap der Vorerfolge wegfällt.
Im Vielseitigkeitsabschnitt der LPO werden auch einige Anpassungen an das internationale Reglement vorgenommen. So wird ab Klasse L der Koeffizient bei der Umrechnung des Dressurergebnisses in Minuspunkte abgeschafft. Zur Errechnung der Strafpunkte werden die erreichten Prozentpunkte von 100 abgezogen und auf eine Dezimalstelle gerundet. In den Klassen E und A wird weiterhin mit 1,5 multipliziert, um den höheren Stellenwert der Dressur als Grundlage der Ausbildung zu erhalten. In der Teilprüfung Springen gibt es ab 2024 nur noch 0,4 statt 1 Strafpunkt pro angefangene Sekunde für das Überschreiten der erlaubten Zeit.
Fahren: Die Two-in-One-Prüfung kommt
Zwei in eins heißt die neue Prüfungsform im Fahren, die ab 2024 eine Dressur- mit einer Kegelfahrprüfung kombiniert. Das Gespann absolviert dabei zunächst eine Dressur und durchfährt direkt im Anschluss einen Kegelparcours, der im Regelwerk bisher „Hindernisparcours“ hieß. „Two in One“-Prüfungen können in den Klassen A und M ausgeschrieben werden. „Der Unterschied ist, dass der Kegelparcours auf dem Dressurviereck steht und die Dressur um den Kegelparcours drumherum gefahren wird. Der Teilnehmer erhält zwei Ergebnisse, wobei das Ganze jedoch als nur ein Start gilt, weil nur einmal abgefahren wird. Das hat den Vorteil, dass so eine Two-in-One-Prüfung als Kombination mit einer Geländeprüfung an einem Tag absolviert werden kann. Wir hoffen, den Fahrsport dadurch für Teilnehmer und Veranstalter kostengünstiger und attraktiver zu machen“, so Otto-Erley. Die Klasse E kann im Fahren ab 2024 nur noch als WBO-Wettbewerb ausgeschrieben werden.
Voltigieren: Links und rechts herum
Etliche Neuerungen erwarten die Voltigierer ab 2024, unter anderem die offizielle Einführung der Altersklasse Junge Voltigierer (U21). Darüber hinaus steht es dann allen offen, ihr Pferd nicht nur traditionell links herum, sondern auch auf der rechten Hand zu longieren. Dabei ist auch möglich, dass zwischen Pflicht und Kür ein Handwechsel erfolgt.
Neu sind auch ein 90 Sekunden-Countdowns nach der Startfreigabe sowie eine Neuregelung für das Auslaufen des Pferdes. Dieses muss nach dem letzten Abgang nicht mehr Aufstellung in der Zirkelmitte nehmen. Stattdessen kann der Longenführer nach einem geregelten Übergang des Pferdes zum Halten vom Standort des Pferdes aus kurz und formlos mit Blickrichtung zum Richter A grüßen. Das Pferd wird dann direkt im Schritt über den Ausgang aus dem Wettkampfzirkel geführt, wahlweise mit bereits ausgeschnallten oder noch eingeschnallten Ausbindern. Der Schlussgruß der Voltigierer kann währenddessen oder danach aus der Zirkelmitte erfolgen.
Mit Blick auf das Pferdewohl wurde für das Voltigieren außerdem die Zahl der Starts pro Tag verkürzt, insgesamt darf ein Pferd maximal viermal pro Tag in den Zirkel einlaufen, und die Beschreibung der Pferdenote wurde konkretisiert. Als vertrauensbildende Maßnahme erlaubt die LPO ab 2024 darüber hinaus die Anwesenheit eines „Friendly Horse“ am Zirkelrand, so dass ein Pferd nicht alleine in der Wettkampfhalle sein muss. Diese Regelung hat sich im Para-Dressursport bereits gut bewährt.
Neben der LPO 2024 hat der FN-Beirat Sport auch die Wettbewerbs-Ordnung (WBO 2024) sowie die neuen Aufgabenhefte Reiten, Fahren und Voltigieren 2024 verabschiedet. Alle Regelwerke gibt es ab Herbst 2023 in digitaler Form unter www.fn-regelwerke.de oder in gedruckter Form, zu beziehen im FNverlag der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN). Alle Regelwerke treten am 1. Januar 2024 in Kraft.